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Ewald von Kleist-Schmenzin (1890-1945) - ein preußischer Altkonservativer im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Ewald von Kleist aus Schmenzin in Hinterpommern ist zweifellos der profilierteste Altkonservative des 20. Jahrhunderts. Sein Reden und Handeln, seine Schriften und die zahlreichen Aussagen von Mitstreitern zeugen von einer Kraft, die aus seinem christlichen Glauben und seiner Vaterlandsliebe strömte, und die im Sinne einer "virtuellen Kraftübertragung" den Deutschen gerade heute wieder ins Gedächtnis gerufen werden sollte...
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Seine tiefe Christgläubigkeit und seine altkonservativen Wertvorstellungen mussten Ewald von Kleist-Schmenzin in Gegnerschaft zum Nationalsozialismus bringen. Schon früh hatte er die Gefährlichkeit dieser Bewegung für Deutschland erkannt. Er kannte Hitlers "Mein Kampf" und alle anderen wichtigen weltanschaulichen Bücher der NSDAP, hatte die Reden ihrer Führer genau zur Kenntnis genommen und wertete ihre Publikationen aus. Er wusste, dass Hitler den Patriotismus, das Preußentum, Kirche, Eigentum, Ehe und Familie und andere traditionelle Werte nur als "Leimrute" benutzte, um konservative politische Kräfte zu täuschen und an sich zu binden, und dass er sie in Wahrheit abgrundtief verachtete.
Kleist-Schmenzin hatte klar erkannt, dass Nationalsozialismus und Kommunismus aus derselben Wurzel stammten: der Revolution, die letztlich ein Aufstand gegen Gott war, gegen die Religion und das Christentum, um den Menschen zu und dessen angebliche "Vernunft" an ihre Stelle zu setzen. Hinter Rassen- und Klassenwahn stand jeweils nur nackter atheistischer Materialismus, genau wie hinter dem Nützlichkeitsdenken des Liberalismus. Nicht umsonst hatten nationalsozialistische Führer immer wieder ihre Gegnerschaft zum Bürgertum und zum Besitz betont und herausgestellt, sie seien vor allem Sozialisten. Bekannt ist das Wort von Goebbels, der die NS-Bewegung als "links" charakterisiert hatte. Konservativismus und Nationalsozialismus waren und sind unvereinbar.
Für Ewald von Kleist-Schmenzin war das Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt wurde, und Gottes Gebot oberste Richtschnur seines Handelns. Er kannte ganz im altkonservativen Sinne keine Säkularisierung; für ihn waltete Gott im privaten wie im öffentlichen Leben, in der Familie ebenso, wie in Staat und Politik. Diese von unbeugsamer Frömmigkeit geprägte Haltung ließ Kleist von der NS-Propaganda unbeeindruckt bleiben und führte ihn in den Widerstand. Seine Ansichten gegen Hitler und seine Bewegung artikulierte der laut und deutlich auch in der Öffentlichkeit, in Schrift und Rede. Er war bereit, dafür alle Folgen und Konsequenzen, auch die äußersten, zu tragen.
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Im Folgenden geben wir den Aufsatz: "Adel und Preußentum" wieder, den Ewald von Kleist-Schmenzin 1926 schrieb und der in den "Süddeutschen Monatsheften" Nr. 23 erschienen ist. Kleist betont die aktuelle Aufgabe des preußischen Adels als nach wie vor bestehender Stand, vor allem auf Grundbesitz gegründet, jedoch vollkommen dem altpreußischen Dienst- und Pflichtethos verpflichtet, für Gegenwart und Zukunft des Vaterlandes, als eine traditionelle Elite.
Dem Aufsatz stellen wir jene Aussage Ernst Ludwig von Gerlachs zur Seite, die dieser auf der ersten Versammlung des so genannten "Junkerparlaments", einer politischen Vereinigung des grundbesitzenden preußischen Adels und Vorläufer der Konservativen Partei, am 20. August 1848 über die Aufgaben des Adels getan hat:
"Adelig ist, wer dem Staate umsonst dient. Bloß konservieren - diese negative Haltung, die Front gegen den Mist, den Rücken gegen den Ansprüche machenden Staat - das ist eine Stellung, die allenfalls dem Bauer verziehen werden kann und jetzt auch ihm nicht mehr. Aufopfern, zu Felde ziehen, erobern (ohnehin die stärkste Form der Verteidigung) - den Rücken gegen den Mist, die Front gegen den Feind - das ist adelig. Aber dies ist ein Adel, der nicht allein den hier versammelten schönen alten Namen derer angehört, die seit Jahrhunderten auf unseren Schlachtfeldern geblutet haben. Er kann auch von denen erworben werden, die wie ich keinen solchen Namen führen. Ja, er kann von jedem Bürger und Bauer, von jedem Preußen, der sein Vaterland liebt, erworben werden. Diesen Adel kann keine Nationalversammlung abschaffen. Vergessen wir nicht, dass es der hohe Beruf des Adels ist, die ganze Nation zu adeln".
(Quelle: Gerlach, Jakob von: Ernst Ludwig von Gerlach. Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken 1795 - 1877. Band 1, S. 541. Schwerin, 1903.)
Vorsitzender dieser ersten Versammlung des Junkerparlaments im Jahre 1848 war übrigens Hans von Kleist-Retzow, ein Verwandter von Ewald von Kleist-Schmenzin.
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Den Vortrag "Grundsätze und Aufgaben konservativer Arbeit" hielt Ewald von Kleist-Schmenzin am 10. Dezember 1929 auf der Mitgliederversammlung des Hauptvereins der Konservativen. Der Hauptverein der Konservativen wurde im Jahre 1902 als übergeordnete Struktur für die konservativen Parteien und Vereinigungen im Deutschen Reich gegründet.
In dem Vortrag legt Kleist-Schmenzin seine Auffassung vom Wesen des Konservativismus dar. Für ihn ist Konservativismus eine "Weltanschauung, d.h. eine Gesamtschau allen Lebens und aller Dinge aus einer Wurzel und von einem festen Punkt aus". Konservativismus lasse sich nur religiös begründen, nicht vom Menschen her, sondern von Gott, vom göttlichen Willen. "Daher heißt der Fundamentalsatz unserer Richtlinien, dass es die Aufgabe der Menschen ist, diesen Willen Gottes zu erkennen und zu tun, oder, mit anderen Worten, Religion zu leben". Kleists Ausführungen sind mehr als ein Vereinsprogramm, sie sind eine Wesensschau des altkonservativen Denkens und Handelns im 20. Jahrhundert, die sich in der Person Ewald von Kleist-Schmenzis auf besondere Weise verdichtet haben.
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Wir geben dem interessierten Leser hier die kleine Schrift "Die soziale Krisis und die Verantwortung des Gutsbesitzes" von Dr. Carl Schweitzer1 und Ruth von Kleist-Retzow aus dem Jahre 1926 zur Kenntnis. Hervorgegangen aus einem Vortrag, beleuchtet der Text vor dem Hintergrund der sozialen Umbrüche der Zeit nach Krieg und Revolution die Aufgaben des deutschen agrarischen Grundbesitzers, indem vor allem die altkonservativen Motive des Eigentums als Amt mit seiner sozialen Bindung sowie die Notwendigkeit der Eigentumsbildung für die Landarbeiter aufgegriffen werden. Auch das notwendige patriarchalische Verhältnis auf den Landgütern, welches auf dem christlichen Vater- und Amtsverständnis beruht, wird in zeitgemäßer Form aufgegriffen2. Über allem steht jedoch die Forderung nach einer Wiedererweckung des persönlichen christlichen Glaubens, aus dem ausschließlich jede wahre soziale Verantwortung nur fließen kann.
Ruth von Kleist-Retzow (1867-1945), geborene Gräfin von Zedlitz-Trützschler, aus Niederschlesien stammend, war mit Jürgen von Kleist-Retzow auf Kieckow in Hinterpommern verheiratet. Dieser war der Sohn eines der herausragenden Persönlichkeiten des preußischen Altkonservativismus, Hans-Hugo von Kleist-Retzow, eines engen Vertrauten von Ernst Ludwig von Gerlach. Im Alter von nur 30 Jahren, inzwischen Mutter von fünf Kindern, verlor sie ihren Mann und verwaltete in der schweren Zeit des Ersten Weltkrieges, des Umsturzes und des Chaos der Weimarer Rebublik die Güter ihres Mannes selbst. Früh geriet die tief christgläubige Frau in Gegensatz zum Nationalsozialismus. Auf ihrem Witwensitz, dem Gut Klein-Krössin im Kreis Belgard, hatte sie oft den benachbarten Ewald von Kleist-Schmenzin und andere am Widerstand gegen Hitler beteiligte Personen zu Gast. Ihre Enkelin, Maria von Wedemeyer, war die Verlobte von Dietrich Bonhoeffer. Viele ihrer Verwandten und Freude wurden nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet. Sie selbst starb, 78-jährig, beim Einmarsch der Roten Armee in Kieckow.
1Evangelischer Pastor. Seinerzeit Direktor im Zentralausschuss für die Innere Mission der Ev. Kirche in Berlin-Dahlem.
2Siehe hierzu auch den Beitrag "Die Altkonservativen und die `soziale Frage´" hier: https://www.altkonservativ.com/geistesgeschichte.